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Die Erinnerung an verschiedene Dorforiginale aus diesem Jahrhundert ist noch wach. Eigenwillige und eigenartige Menschen, die es im dörflichen Alltag nicht mehr gibt, weil die moderne Gesellschaft den Spielraum für Individualisten eng abgesteckt hat. Etliche Namen werden in Wynau gelegentlich noch genannt.

Lisette beispielsweise verkaufte von Haus zu Haus "Chrömli". Sie übte bei Todesfällen in der Gemeinde aber auch die wichtige Funktion der "Umesägere" aus. Dieser alte Brauch konnte sich in Wynau übrigens bis ins Jahr 1969 hinüberretten. - Dann wäre zu nennen der "Bütteliherme". Wie sein Name sagt, stellte er "Bütteli", kleinere oder grössere Holzkübel her. Ein besonderes Markenzeichen von ihm aber war gewesen, dass er zeitweise wie Diogenes in einem im Quellenboden eingegrabenen Fass gehaust haben soll.


Dann eben der "Lisiköbu". Eigentlich hiess er mit bürgerlichem Namen Jakob Hofer. Der kleinwüchsige, gekrümmte Mann betätigte sich an Schiesstagen des Schützenvereins freiwillig als Hülsensammler. Bei dieser Arbeit trug er stets eine ausgediente Hauptmannsmütze, die er einmal geschenkt bekommen hatte. Eifersüchtig wachte der Lisiköbu darüber, dass ihm keine einzige leere Patronenhülse entging. Hänseleien quittierte er auch sprachlich und geistig behinderte Hülsensammler mürrisch und mit "Retourkutschen". Der Löwenwirt hatte dem Köbu zugesichert, er dürfe jeden Sonntagnachmittag bei ihm in der Gaststube gratis einen Sirup trinken. Wenn er jeweils etwas länger auf den versprochenen Trunk warten musste als üblich, soll er dem Wirt erklärt haben: "I chume jetz de öppe nümme!"

Bekannt war der Lisiköbu auch als Bännelimacher. Seine charakteristischen Spielzeugbänneli waren bei Kindern äusserst beliebt. Auch "Sagböcke" hat er hergestellt. Immer wieder konnte der am Hoferrain wohnhaft gewesene Lisiköbu ein paar Batzen verdienen. Guido Plüss, ein gewichtiger Mann bei den Textilwerken Gugelmann, aber auch ein gewichtiger Mann in Wynau - er verstarb 1902 - gab ihm kleine Verdienstmöglichkeiten, regelmässig musste er ihm bei der Villa die "Bsetzi" jäten.
Guido Plüss, der als erster Wynauer stolzer Besitzer eines Hochrades war, soll beim Eisenbahnbau seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss derart geltend gemacht haben, dass die Bahnstation Roggwil-Wynau entstand und nicht im Guegi-Loch eine solche für Murgenthal und Wynau gemeinsame gebaut wurde.
Zurück zu unserem Lisiköbu. Als Jakob Hofer starb, liess der Schützenverein Wynau für ihn einen Grabstein hauen. "Jakob Hofer, Hülsensammler", stand darauf. Dieser Grabstein aus den frühen zwanziger Jahren ist leider nach einer Friedhofräumung verschwunden.
In der Erinnerung soll der Lisiköbu von Wynau weiterhin seinen Platz haben. Ebenso wie Namen, an die sich heute auch noch die mittlere Generation erinnert. Vergessen wir deshalb nicht den Bauern und Kunstmaler "Doufelifridu", der seine eigenen Anbauregeln hatte und der gelegentlich verschiedene, verlöcherte Hüte übereinander trug.
Auch der vor einigen Jahren verstorbene Allerweltsmechaniker Erwin Derendinger bleibt als ein Wynauer in Erinnerung, der vielleicht nicht immer in die gängige Norm gepasst hat, jedoch unter einer rauhen Schale viele menschliche Qualitäten verbarg.